ab 13.01.2024

1000 Eyes

Uraufführung
Asma ist verschwunden. Sie hat allen erzählt, sie wäre nach Paris gefahren, um dort ihren Abschlussfilm über die Ermordung der drei kurdischen Widerstandskämpferinnen Sakine Cansiz, Fidan Doğan und Leyla Söylemez zu drehen. Diese wurden am 9. Jänner 2013 in den Vereinsräumen des Centre d'information du Kurdistan in der Rue Lafayette erschossen. Der Täter: Ein Agent des türkischen Geheimdienstes. Doch Asma ist nicht zurückgekehrt. Was ist geschehen? Familie, Freunde und Bekannte beginnen zu spekulieren. Im Internet tauchen Bilder auf. Fremde gesellen sich dazu. Hat Asma sich dem kurdischen Widerstand angeschlossen? Ist sie zu einem şehîd, einer Märtyrerin, geworden, zu denen kurdische Freiheitskämpfer:innen werden, wenn sie im Kampf sterben? Es sprechen die untröstlichen Hinterbliebenen und schlaflosen Gaffer, die versuchen zu verstehen, warum man das Leben leben sollte, in das man geworfen wird. Oder auch nicht. Was bleibt, ist die Leerstelle, die ein Mensch hinterlässt und die alle mit ihren Bildern zu füllen versuchen.

1000 Eyes ist ein Stück über Abwesenheit und Radikalität. Die Lücke, mit der die Figuren umgehen müssen, ist das Ergebnis einer globalen politischen Konfliktzone, in die sich immer mehr junge Menschen in Europa unter Einsatz ihres Lebens einmischen. Wie umgehen mit dem Schock, den die Entscheidung – in den Krieg zu ziehen – hinterlässt? Aufgebaut wie das Auge einer Libelle, setzen sich die Szenen zu einem emotional aufwühlenden Mosaik zusammen. Dabei schreitet 1000 Eyes den schmalen Grat zwischen verklärender Mythologie und widerständiger Emanzipation des kurdischen Widerstandskampfes ab. Ein Wirbelsturm der Perspektiven.

Das Stück ist in Kollaboration mit der Theaterkompanie El Vaïvén für das Programm „Prix T13, festival de mise en scène” vom Théâtre 13 in Paris entstanden.

„In meiner Praxis reflektiere ich die Erfahrung von Abwesenheit. Dies ist nicht gleichzusetzen mit dem Nichts, das es nicht gibt. Es gibt nur etwas, das ist. Was aber, wenn dieses Etwas nicht (mehr) da ist, nicht (mehr) zu sehen ist, sich aktiv entzogen hat oder gewaltvoll entzogen wurde? Hat es aufgehört zu existieren, auch wenn es nicht tot ist? Wenn nicht, wo genau befindet sich dieses etwas, das ein Mensch sein kann oder ein Ding, wenn es aus meinem Blickfeld verschwindet? Wie definieren mich die Dinge, die ich nicht mehr habe? Wie prägen mich Menschen, die nicht mehr da sind? Zu wem spreche ich eigentlich, wenn mein Gegenüber nicht mehr da ist? Das sind Fragen, die mich interessieren. Es entstehen exzessive, miteinander verwobene Reflexionen, die sich keiner Stille, vielmehr einem Bild aussetzen, in dem ein Detail aus dem Rahmen gebrochen ist.
1000 Eyes ist die fragmentarische Dokumentation einer Biographie, die, wie Alfred Döblin in Berlin Alexanderplatz schreibt, vom Leben mehr verlangt als das Butterbrot. Asma, eine junge, in Europa aufgewachsene Frau, entschließt sich, ihr Leben dem kurdischen Widerstandskampf zu widmen. Sie verabschiedet sich, ohne auch nur ein Zeichen zu hinterlassen. Im Stück kommt sie nie zu Wort. Es erzählen nur Figuren, die sie kannten oder meinen gekannt zu haben. Sie sind erfasst und überwältigt vom Terror, der in ihr Leben eingebrochen ist. Warum hat sie das getan? Was genau macht sie jetzt? Wo befindet sie sich? Die Figuren sitzen im Dunkeln und fragen sich: was sehen wir (nicht), was hören wir (nicht)? Sie ahnen, dass in dieser Geschichte immer ein Teil fehlen wird. Sie sehen bloß Asmas Spuren, nie sie selbst. Was sie sehen: Märtyrerinnen, die Straßen von Paris, Züge, einen irren Komponisten, Demonstrationen und Öcalan –Gründungsmitglied und Führer der Arbeiterpartei Kurdistans. Sie sprechen zu Asma, die ihnen nicht mehr zuhört. Deshalb sprechen sie zu uns. Sie knüpfen ein Netz, das nicht fängt, sondern zurückhält und uns deswegen lockt. Ins Netz der Anwesenheit.“
Regie:
Bühne und Kostüme:
Musik:
Video und Licht:
Dramaturgie:
Regieassistenz:

Termine

Sa, 13. Januar, 20:00 Uhr

Premiere

Di, 16. Januar, 20:00 Uhr

Mi, 17. Januar, 20:00 Uhr

Do, 18. Januar, 20:00 Uhr

Im Anschluss: Die besten 30 Minuten
Nachgespräche vom Offenem^Haus für alle neugierigen Theaterbesucher:innen – nach jeder Donnerstagsvorstellung

Fr, 19. Januar, 20:00 Uhr

Fr, 26. Januar, 20:00 Uhr

Sa, 27. Januar, 20:00 Uhr

So, 28. Januar, 15:00 Uhr

Nachmittagsvorstellung mit kostenloser Kinderbetreuung
Für Kinder zwischen 3 und 12 Jahren. Die Platzanzahl ist begrenzt. Infos und Anmeldung